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Wenn ich raten müsste, wer aus dem Jahrgang meiner Text-Klasse am ehesten einen Roman veröffentlichen würde, so wäre es ohne zu zögern Jim. Naja, hat er auch irgendwie. Ein kleines feines Heft hat er bereits selbst herausgegeben: Hamburg-West Sonntag 18:00 bis 21:15

Hamburg-West Sonntag 18:00 bis 21:15 von Jim Hein Steffen (978-3-7467-6632-4)

Jim fiel mir direkt bei unserer ersten Begegnung auf. Nicht etwa, weil er sich durch auffälliges Verhalten oder ausgefallene Kleidung Nein, Jim fiel mir direkt ins Auge, weil er bei der Aufnahmeprüfung für die Text-Ausbildung, die wir im folgenden Herbst beide besuchen würden, zwei Plätze von mir entfernt sass und las. Ich war direkt fasziniert, wie ich von so vielen Menschen fasziniert bin, die in der Öffentlichkeit lesen. In der U-Bahn versuche ich oft einen Blick auf die Titel der Romane zu erhaschen. Aber in diesem Moment war ich durch den Autor – ich kann mich zwar nicht mehr genau daran erinnern, Hesse, Heine, Hegl? – eingeschüchtert. Bevor ich allerdings etwas sagen konnte, begann der schriftliche Teil der Prüfung und ich musste mir Gedanken zu Faultieren und Adventskalendern für Superreichen machen. Es ist manchmal echt schwer, Familie und Fremden zu erklären, was ich tagtäglich als Werbetexterin so mache.

Frédéric Beigbeders Roman „99 francs“ über die Werbe-Szene der 90er in Paris.

An einen weiteren Moment kann ich mich ebenfalls sehr gut erinnern. Vier oder fünf aus unserer Klasse sitzen im Park Fiction – dem Park mit den Palmen aus Plastik, von dem man eine gute Sicht auf den Hamburger Hafen geniesst – und besprechen 99 francs von Frédéric Beigbeder. Wir sitzen nicht zufällig hier zusammen. Nein, Jim und ich haben einen kleinen Buchclub ins Leben gerufen, mit dem wir Romane lesen, die sich alle irgendwie mit der Werbung befassen. Tatsächlich finden wir auch vier Titel, bevor wir es wieder bleiben lassen. Und so sitzen wir da, mit unserem Flensburger, und beobachten die Frachter im Hafen ankommen und die Sonne hinter dem Horizont untergehen und unterhalten uns über Literatur.

Sogar am Pangea Festival, auf dem wir als Klasse waren, hatte Jim als einziger ein Buch dabei. Nicht mal ich, die ja nun wirklich überallhin einen Roman hinschleppt, hatte eins mit. Naja, er hatte nicht nur ein Buch dabei, sondern auch eine Flasche Spiritus. Und das Batiken liess er sich dann auch nicht nehmen.

Jim hatte als einziger ein Buch am Pangea Festival mit.

Wenn ich also raten müsste, wer aus unserem Jahrgang am ehesten einen Roman veröffentlichen würde, so wäre es ohne zu zögern Jim. Als ich ihn vor einer Woche gebeten habe, sein Büchlein zu schicken, hat er auch keine Sekunde mit der Wimper gezuckt und es lag gestern in meinem Briefkasten. Hamburg-West Sonntag 18:00 bis 21:15 beschreibt einen und alle seine Abendschichten als Foodora-Fahrer auf seinem pinken Fixie. Genauso wie Jim selbst ist auch sein Schreibstil. Etwas zu intellektuell für viele, mit einer guten Beobachtungsgabe und trockenem Humor nimmt er den Leser mit auf eine Tour durch’s abendliche Hamburg und schleicht sich gleichzeitig in jedes Herz. Das Heftchen habe ich unfassbar gern gelesen und ich hoffe, eines Tages einen Roman von Jim Hein Steffen in der Hand zu halten.